Das Vergessen von Routinen ist essentieller Bestandteil des organisationalen Lernens. Das Forschungsprojekt untersucht die Mechanismen des Vergessens in arbeitsteiligen Routinen. Hierzu werden Produktionsprozesse im experimentellen Umfeld erforscht und die Rolle bestimmter Hinweise (Cues) bestimmt.
Im Schwerpunktprogramm “Intentional Forgetting” der DFG (http://www.spp1921.de/) werden die Mechanismen menschlichen, maschinellen und organisatorischen Vergessens untersucht. Das Gemeinschaftsprojekt mit der Ruhr-Universität-Bochum “Intentional Forgetting, Routines & Retrieval Cues” untersucht den Kontext des Vergessens in arbeitsteiligen Routinen genauer. Hierzu werden gemeinsam mit den Psychologen der RUB Experimente konzipiert und durchgeführt. Das Ziel ist es, zu ermitteln, welche Veränderungen der Arbeitsumgebung das Vergessen einer Routine im Fertigungsprozess fördern.
Die Grundlage hierfür bildet die Theorie des cue-dependent forgetting. Dabei lösen bestimmte Hinweise (Cues) in der Umgebung von Personen Erinnerungen aus. Solche Hinweise können sowohl andere Personen als auch Objekte, Geräusche oder andere Kontextfaktoren sein. Das gezielte Entfernen dieser Hinweise, so die Hypothese, erleichtert das Vergessen der Routinen.
In den Experimenten wird im Anwendungszentrum Industrie 4.0 untersucht, wie sich die Vergessensleistung der Probanden unter verschiedenen Bedingungen verändert. Hierzu wurde ein realer Fertigungsprozess übertragen und soweit verändert, dass bestimmte Cues präsent sind. Zunächst wird eine Routine erlernt und dabei eine starke Verbindung zwischen Erlerntem und den vorhandenen Cues hergestellt. Diese Verbindung wird zwischen den Experimenten (drei Wochen) durch eine Lernapp verfestigt. Zum zweiten Experimenttermin soll eine zweite, leicht veränderte Routine erlernt werden. Dabei werden auch die vorhandenen Hinweise entfernt. Es wird dann gemessen, ob die ursprünglich gelernte Routine weiterhin aufgerufen wird oder ob es den Teilnehmern gelingt, diese zu vergessen. Während der Experimente wird eine Vielzahl an Daten erhoben. Jede Interaktion mit der Anlage wird in Logdateien protokolliert, das Suchverhalten der Nutzer wird über Eye-Tracker aufgenommen, die Startbedingungen (Kreativität, verbale und mathematische Fähigkeiten) werden über standardisierte Fragebögen erhoben. Die Datenauswertung erfolgt über unterschiedliche Verfahren. Zunächst werden die einzelnen Fehler identifiziert und nach Zusammenhängen gesucht. Weiterhin kann über eine Sequenzanalyse bestimmt werden, an welchen Punkten vom Soll-Prozess abwichen wird und dies aus das Vorliegen der Hinweise zurückgeführt werden. Ergänzt werden die Daten durch die Blickrichtungsauswertung der Eye-Tracker, welche belegen, dass der Teilnehmer bestimmte Hinweise zum zweiten Termin sucht.
Beide Routinen werden in Prozessmodellen dargestellt. Somit wird es möglich sein, das Vergessen in den Prozessen selbst darzustellen und seine Folgen auf Prozessebene bewertbar zu machen. Durch die Realitätsnähe und die Orientierung an einem realen Prozess sind die Ergebnisse der Experimente sehr gut auf tatsächliche Transformationen in Produktionsprozessen zu übertragen. Hiermit leistet das Projekt einen erheblichen Anteil, Wandlungsprozesse in Unternehmen effektiver zu gestalten.